Anforderungen an die Genauigkeit

4. ANFORDERUNGEN AN DIE GENAUIGKEIT

Die Genauigkeitsklassen (engl. accuracy class) von Stromwandlern werden bezeichnet nach dem Betrag des maximal erlaubten Stromfehlers, den ein Wandler bei Bemessungsstrom aufweisen darf. Diese Klassenangabe steht stellvertretend für eine ganze Fehlerkurve, bei der Fehlergrenzen (engl. limits of error) für unterschiedliche Ströme festgelegt sind. Die Fehlerkurve beinhaltet nicht nur die Stromfehlergrenzen (engl. limits of current error), sondern auch die Fehlwinkelgrenzen (engl. limits of phase displacement).


4.1 GENAUIGKEITSKLASSEN VON STROMWANDLERN FÜR MESSZWECKE

Nach der DIN EN 61869-2 sind für Messwandler die Genauigkeitsklassen 5; 3; 1; 0,5; 0,5S; 0,2; 0,2S und 0,1 definiert. Eine Auflistung der einzelnen Genauigkeitsklassen mit den zugehörigen Fehlergrenzwerten ist in Tabelle 1/S.59 zu sehen. In der linken Hälfte der Tabelle sind die Stromfehler den jeweiligen Primärströmen zugeordnet. Erklärt anhand der Genauigkeitsklasse 1 (Zeile 15) ist zu erkennen, dass bei 1% des Primärstroms der Stromfehler der Klasse 1 nicht definiert ist. Bei 5 % des Primärstroms darf der Stromfehler ± 3 % bezogen auf den Messwert nicht überschreiten usw. Der rechte Tabellenteil zeigt die maximal erlaubten Fehlwinkel. Dieser beträgt z. B. für Klasse 1 bei 100 % des Primärstroms ± 60 min. Ein Zahlenbeispiel soll hier noch einmal Klarheit schaffen. Dazu fließt bei einem beispielhaft angenommenen Stromwandler mit der Bemessungsübersetzung kr= 300/5 A in der Klasse 1 bei 5 % des Bemessungsstroms ein Primärstrom von 15 A. Idealerweise sollte dann sekundär ein Strom von 0,25 A fließen. Da hier der Stromfehler ± 3 % betragen darf, entsprechend ± 0,0075 A, liegt der tatsächliche Sekundärstrom zwischen 0,2425 A und 0,2575 A.

1Fehlergrenzwerte für Strom-Messwandler der Klasse 0,1 bis 0,5
2GenauigkeitsklasseStromfehler ε in % bei % des BemessungsstromsFehlwinkel ∆φ in min bei % des Bemessungsstroms
31520501001201502001520100120150200
40,1 ± 0,4± 0,2-± 0,1± 0,1   ± 15± 8± 5± 5  
50,1 ext 150 ± 0,4± 0,2-± 0,1 ± 0,1  ± 15± 8± 5 ± 5 
60,1 ext 200 ± 0,4± 0,2-± 0,1  ± 0,1 ± 15± 8± 5  ± 5
70,2 ± 0,4± 0,35-± 0,2± 0,2   ± 30± 15± 10± 10  
80,2 ext 150 ± 0,75± 0,35-± 0,2 ± 0,2  ± 30± 15± 10 ± 10 
90,2 ext 200 ± 0,75± 0,35-± 0,2  ± 0,2 ± 30± 15± 10  ± 10
100,2S± 0,75± 0,35± 0,2-± 0,2± 0,2  ± 30± 15± 10± 10± 10  
110,5 ± 1,5± 1,5-± 0,5± 0,5   ± 90± 45± 30± 30  
120,5 ext 150 ± 1,5± 1,5-± 0,5 ± 0,5  ± 90± 45± 30 ± 30 
130,5 ext 200 ± 1,5± 1,5-± 0,5  ± 0,5 ± 90± 45± 30  ± 30
140,5S± 1,5± 0,75± 0,75-± 0,5± 0,5  ± 90± 45± 30± 30± 30  
151 ± 3± 1,5-± 1± 1   ± 180± 90± 60± 60  
161 ext 150 ± 3± 1,5-± 1 ± 1  ± 180± 90± 60 ± 60 
171 ext 200 ± 3± 1,5-± 1  ± 1 ± 180± 90   ± 60
183   ± 3 ± 3         
195   ± 5 ± 0,5         

 

Die Genauigkeitsforderung bei Stromwandlern ist schärfer als z.B. bei Messgeräten, bei denen der Fehler auf den Endwert bezogen wird. Würde der Fehler von ±3% auf den Endwert bezogen, so dürfte der Fehler bei Stromwandlern im vorherigen Beispiel ± 0,15 A betragen und wäre damit um den Faktor 20 größer. Die Genauigkeitsgrenzen der Klassen 0,1 bis 1 müssen bei 25% und 100% und die der Klassen 3 und 5 bei 50% und 100% der Bemessungsbürde eingehalten werden, wobei die kleinste Bürde 1 VA beträgt. Darüber hinaus muss die Bürde bei einer Leistung von ≥5 VA einen Bürdenleistungsfaktor (engl. burden power-factor) von cosβ = 0,8 induktiv und bei Werten < 5 VA von cosβ = 1,0 haben. Überdies darf für alle Genauigkeitsklassen ein erweiterter Bürdenbereich (engl. extended burden range) festgelegt werden. Die Grenzwerte der Fehler nach Tabelle 1 dürfen dann von 1 VA bis zur Bemessungsbürde nicht überschritten werden. Dann muss der Bürdenleistungsfaktor über den gesamten Bürdenbereich 1,0 sein. Die höchste Bemessungsleistung ist hier auf 15 VA begrenzt. Auch darf für Messwandler der Genauigkeitsklassen 0,1 bis 1 ein erweiterter Strommessbereich (engl. extended current range) vereinbart werden unter den Voraussetzungen, dass

· der thermische Bemessungs-Dauerstrom dem erweiterten Bemessungsstrom entspricht,
· die gemäß Tabelle 1/S.60 bei 120 % des Bemessungsstroms vorgeschriebenen
Fehlergrenzen bis zum erweiterten Bemessungsstrom eingehalten werden.

Normwerte für den erweiterten Bemessungsstrom sind 150% und 200% des Bemessungsstroms. Selbst wenn der thermische Bemessungs-Dauerstrom nur 100% beträgt, so entbindet das nicht davon, die Fehlergrenzen (kurzzeitig) auch bei 120 % des Bemessungsstroms einzuhalten. Einen typischen Verlauf des Stromfehlers zeigt Abb. 20/S.63 am Beispiel eines Wandlers der Klasse 1. Die Normfehlergrenzen sind in Rot eingezeichnet. Innerhalb der durch die beiden roten Linien gebildeten „Trompete“ (wegen der trompetenähnlichen Form auch gelegentlich so genannt) muss die tatsächliche Fehlerkurve liegen.


Die blaue Kurve zeigt den Stromverlauf bei Bemessungsbürde und die braune bei Belastung des Wandlers mit einem Viertel der Bemessungsbürde. Im unteren Aussteuerungsbereich fällt die Kurve nach unten ab, weil hier das Kernmaterial des Wandlers im ungünstigen Bereich arbeitet. Im hohen Aussteuerbereich fällt die Kurve ebenfalls wieder ab, da der Stromwandler hier in den Bereich der Sättigung des Kernmaterials kommt. Mit zunehmender Last bis zur Belastung mit Bemessungsbürde ver- schiebt sich die Kurve mehr oder weniger weit in den negativen Bereich und der Sättigungseinsatz findet früher statt, wie ein Vergleich der braunen mit der blauen Fehlerkurve zeigt. Abb. 21/S.64 zeigt die mit der Stromfehlerkurve korrespondierende Fehlwinkelkurve. Auch hier ist zu erkennen, dass der Fehlwinkel im unteren Aussteuerungsbereich größer wird wegen des ungünstigen Bereichs des Kernmaterials. Im oberen Aussteuerungsbereich wird der Fehlwinkel ebenfalls wieder größer, da sich der Sättigung genähert wird.


4.2 GENAUIGKEITSKLASSEN VON STROMWANDLERN FÜR SCHUTZZWECKE

Ursprünglich gab es für Schutzzwecke nur die heute mit der Klasse P bezeichneten Stromwandler, die sich praktisch von Messwandlern kaum unterscheiden bis auf den weit in den Überstrombereich verlagerten Sättigungseinsatz. Um jedoch der Menge unterschiedlicher Fehlermöglichkeiten in einem Versorgungsnetz zu genügen, wurden die Schutzwandler sehr bald um zusätzliche Spezifikationen erweitert, die sich hauptsächlich auf das Einschwingverhalten und das Verhalten bei Vorhandensein einer abklingenden Gleichstromkomponente bei Schaltvorgängen im Primärkreis beziehen. Bei einem plötzlich einsetzenden Kurzschluss tritt im Stromverlauf ein abklingendes Gleichstromglied auf, dessen Zeitkonstante besonders am Einspeisepunkt leistungsstarker Generatoren bis zu 0,4 s betragen kann. Da die Zeitkonstante der abklingenden Gleichstromkomponente sekundärseitig i.Allg. deutlich größer als primärseitig ist, fehlt das durch den Primärstrom erzeugte magnetische Gegenfeld. So reichen schon relativ kleine Gleichstromkomponenten, den Wandlerkern in die Sättigung zu treiben. Die Gleichstromkomponente des Sekundärstroms kann bei Stromwandlern mit geschlossenem Eisenkern mit Wandlerzeitkonstanten (nach der DIN EN 61869-2 sekundäre Zeitkonstante Tsgenannt, engl. time constant of instrument transformer) von einigen Sekunden behaftet sein. Der Sättigungseinsatz durch das Gleichstromglied kann vermieden werden, indem der Kernquerschnitt überdimensioniert wird. In der DIN EN 61869-2 sind hierzu Dimensionierungsfaktor Kxund transienter Dimensionierungsfaktor Ktd definiert. Beachtet man noch die unvermeidliche Remanenz, so überschreitet die Überdimensionierung sehr schnell technische und wirtschaftliche Grenzen. Solche überdimensionierten Wandler mit geschlossenem Eisenkern gehören zur Klasse TPX, deren Nachteile hauptsächlich die großen Eisenquerschnitte sind, verbunden mit höheren Kosten und Einbauproblemen. Als Maß für die Größe der Remanenz ist in der DIN EN 61869-2 der Remanenzfaktor Krdefiniert als das Verhältnis von Remanenzfluss ψrzu Sättigungsfluss ψsat. Bei Wandlern der Klassen TPY und TPZ werden durch Luftspalte im Eisenkern die sekundäre Zeitkonstante und der Remanenzfaktor verringert, wobei sich beide Klassen in Anzahl und Länge der Luftspalte unterscheiden. Bei Wandlern der Klasse TPY, auch Wandler mit Antiremanenz-Luftspalten genannt, weisen die Kerne wenige (meist zwei) Luftspalte geringer Länge auf zur Unterdrückung der Remanenz nach Kurzschlussabschaltungen. Wandler der Klasse TPZ, auch als Linearwandler bezeichnet, haben die besseren transienten Übertragungseigenschaften, was durch mehrere große Luftspalte im Kern erreicht wird. Der Remanenzfaktor wird dabei fast Null und die sekundäre Zeitkonstante erreicht Werte von unter 60 ms. Eine weitere Verringerung verbiete sich jedoch, da der Winkelfehler, der ohnehin schon 180 min beträgt (Tabelle 2/S.68), dann noch größer werden würde. Nachteile der Linearwandler sind die ungenaue Übertragung des Gleichstromgliedes im Kurzschlussstrom und das langsamere Abklingen des Sekundärstromes bei Abschaltvorgängen. Normwerte für die Bemessungsbürde der TP-Wandler sind 0,5; 1; 2; 5 Ω, bezogen auf einen sekundären Bemessungsstrom von 1 A. Für Stromwandler mit einem anderen sekundären Bemessungsstrom müssen die vorgenannten Werte im umgekehrten Verhältnis zum Quadrat des sekundären Bemessungsstroms umgerechnet werden. Zur weiteren Klassifizierung der TP-Wandler werden noch die beiden transienten Fehlergrenzwerte Scheitelwert des Momentanwerts des Fehlers εˆ und Scheitelwert des Fehlers der Wechselstromkomponente εˆac herangezogen. Bei Erstem betrachtet man den transienten Verlauf des Sekundärstroms und beim Zweiten nur den auf dem abklingenden Gleichanteil überlagerten Wechselstrom. Weitere Informationen enthält Tabelle 2/S.68, wobei noch das Windungszahlverhältnis für die Klassen PX und PXR zu definieren ist. Häufig besteht ein Unterschied zwischen dem Bemessungs- und dem tatsächlichen Windungszahlverhältnis (Primär- zu Sekundärwindungen), da die Übersetzungsmessabweichung bei Stromwandlern häufig durch einen Windungsabgleich kompensiert wird. Die Messabweichung des Windungszahlverhältnisses ist definiert als Unterschied zwischen Bemessungs- und tatsächlichem Windungszahlverhältnis in Prozent.

1Grenzwerte für Schutz-Stromwandler
2KlasseMessabweichungAnforderungen an RemanenzflussErläuterungen
3Stromfehler ε in % des BemessungsstromsFehlwinkel ∆φ in min des BemessungsstromsGesamtmessabweichung in % des Bemessungs- GenauigkeitsgrenzstromsMessabweichung in % der WindungszahlverhältnisseTransistente Fehlergrenzwerte in %
4
5
65P± 1± 605  keineBeschreibt einen Stromwandler für die Einhaltung der Anforderungen an die Gesamtmessabweichung unter Bedingungen eines symmetrischen
710P± 3-10  
85PR± 1± 605  Grenzwert Kr ≤ 10 %
910PR± 3-10  
10PX   ≤ | ± 0,25 | keineBeschreibt einen Stromwandler durch Festlegung seiner Magnetisierungskennwerte
11PXR   ≤ | ± 1 | Grenzwert Kr ≤ 10 %
12TPX± 0,5± 30  ε = 10keineBeschreibt einen Stromwandler für die Einhaltung der Anforderungen an den transienten Fehlerstrom unter Bedingungen eines asymmetrischen Kurzschlussstroms
13TPY± 0,2± 60  ε = 10Grenzwert Kr ≤ 10 %
14TPZ± 0,2180 ± 18  εac = 10