Einführung

1. Einführung

Das kleine Einmaleins der Stromwandler

Stromwandler (engl. current transformer, abgekürzt CT), umgangssprachlich oft auch nur kurz Wandler genannt, sind auf die besonderen Erfordernisse der Messtechnik konzipierte Sonderformen von Transformatoren. Stromwandler werden hauptsächlich dort eingesetzt, wo Ströme aufgrund ihrer Größe nicht direkt gemessen werden können. Sie haben die Aufgabe, den Primärstrom in einen meistens kleineren Sekundärstrom zu übersetzen und Primär- und Sekundärkreis galvanisch voneinander zu trennen. Außer zur Messung können Stromwandler auch eingesetzt werden, um Schutzfunktionen zu steuern oder auszulösen. Abb. 1/ S. 6 zeigt das Beispiel eines Aufsteck-Stromwandlers.

 


1.1 AUFBAU VON STROMWANDLERN

Stromwandler bestehen aus einem Kern einer geeigneten Eisensorte, die bestimmte magnetische Eigenschaften aufweisen muss. Dieser trägt die Sekundärwicklung, wie in Abb. 2/ S. 7 gezeigt. Je nach Ausführung und Anwendungsfall befindet sich über der Sekundärwicklung eine angemessene Isolation, gefolgt von der Primärwicklung, oder die Primärwicklung wird durch das externe Stromschienen- oder Kabelsystem gebildet, in dem der zu messende Primärstrom fließt.

 


1.2 FUNKTIONSWEISE

Durch die Primärspule des Stromwandlers fließt der zu messende Wechselstrom Ip, der ein ständig wechselndes Magnetfeld Φp verursacht. Dieses Magnetfeld gelangt über den Eisenkern zur Sekundärspule und induziert dort die sekundäre Quellenspannung E0 als treibende Größe für den Sekundärstrom Is, der sich gemäß dem Windungsverhältnis von Primär- und Sekundärwicklung einstellt. Dieser wiederum erzeugt einen magnetischen Fluss Φs. Gemäß der lenzschen Regel verläuft die Richtung des Sekundärstroms derart, dass dessen magnetischer Fluss Φs dem durch die Primärwicklung erzeugten Feld Φpentgegenwirkt, daher oft auch Gegenfeld genannt. Beim verlustfreien, kurzgeschlossenen Stromwandler wären beide Flüsse gleich groß und der resultierende magnetische Fluss im Kern nicht mehr vorhanden. Tatsächlich hat aber der Sekundärstrom Isverlustbedingt nicht die Größe, die erforderliche Gegeninduktion aufzubauen, um den primären magnetischen Fluss Φpvöllig aufzuheben. Es bleibt ein Restfluss Φεübrig, der für die Entstehung der Quellenspannung E0 und des Magnetfelds im Kern sorgt. In der Norm für Stromwandler (DIN EN 61869-2) ist für den Restfluss der Begriff „verketteter Fluss ψ“ eingeführt worden. In der Terminologie von Transformatoren ist analog vom sogenannten Hauptfluss Φh die Rede. Abb. 3/ S. 8 zeigt gemäß der lenzschen Regel die Verhältnisse am Transformator (hier Stromwandler) und wie das durch den Primärstrom erzeugte Magnetfeld Φp durch das des Sekundärstroms Φs vermindert wird. Der Ausgang eines Stromwandlers ist als Konstantstromquelle (engl. constant current source) anzusehen. Die Größe des Sekundärstroms hängt dabei idealerweise nur vom Primärstrom ab und wird daher auch durch die angeschlossenen Widerstände (Leitungswiderstände, Innenwiderstände angeschlossener Messgeräte usw.) nicht beeinflusst. Selbst beim idealisierten, fehlerfreien Stromwandler gilt diese Aussage allerdings nur bis zur unvermeidlichen magnetischen Sättigung des Kernmaterials, wie anhand der allgemein bekannten BH-Kennlinie, auch Hystereskurve genannt, in Abb. 4/ S. 9 deutlich zu erkennen ist. Ein Stromwandler muss also so bemessen sein, dass sein Arbeitsbereich (engl. operating range) innerhalb des durch die Sättigung begrenzten Bereichs des Kernmaterials liegt.


1.3 ERSATZSCHALTBILD, FEHLERSTROM Iε , ERREGERSTROM Ie

Das Ersatzschaltbild (ESB, engl. equivalent circuit diagramm) eines Stromwandlers soll hier nicht im Einzelnen entwickelt, sondern als gegeben hingenommen werden. Dazu dient zur weiteren Betrachtung das vereinfachte ESB in Abb. 5 / S. 11, welches dem allgemein bekannten Transformator-ESB entspricht mit dem Unterschied, dass der ideale, fehlerfreie Transformator (in Abb. 5 / S. 11 als CT bezeichnet) auf die linke Seite gelegt wird. Die primärseitigen Elemente des Transformator-ESBs entfallen, bis auf den vorgenannten, als ideal anzusehenden Stromwandler CT mit der Bemessungsübersetzung kr. An dessen Ausgang steht der fehlerfreie Sekundärstrom, auch „auf die Sekundärseite bezogenen Primärstrom I‘p “ genannt, zur Verfügung. Der auf die Sekundärseite bezogene Primärstrom I‘p teilt sich auf in den Fehlerstrom Iε, der zur Magnetisierung des Eisenkerns und für dessen Verluste aufgebracht werden muss, und den tatsächlichen, fehlerbehafteten Sekundärstrom Is. Die bei Transformator-Ersatzschaltbildern anzutreffende sekundärseitige Streuinduktivität kann bei Stromwandlern wegen ihres sehr geringen Wertes vernachlässigt werden. Lediglich der Widerstand Rw der Sekundärwicklung ist zu berücksichtigen. Wird dieser auf eine festgelegte Temperatur bezogen (z. B. 75 °C), so ändert sich der Index normgerecht, und dieser Wicklungswiderstand wird mit Rct bezeichnet.

CT = idealer Stromwandler
E0 = Quellenspannung
Ip = Primärstrom I‘p auf die Sekundärseite bezogener Primärstrom, bzw. idealer Sekundärstrom
Is = Sekundärstrom
IRm = Eisenverluststrom

IXm = Magnetisierungsstrom
Iε= Fehlerstrom
kr= Bemessungsübersetzung
Rb = Blindwiderstand der Bürde
Rm = Eisenverlustwiderstand
Rw = Wicklungswiderstand

Us= Sekundärspannung, Bürdenspannung
Xb= Wirkwiderstand der Bürde
Xm= Hauptinduktivität
Zb = Bürden-Scheinwiderstand
Zm= Querimpedanz

Innerhalb des Arbeitsbereichs stellen sich die Quellenspannung E0und die Sekundärspannung Usnach dem ohmschen Gesetz automatisch ein.
Es gilt:

Gleichung 1

US = Sekundärspannung
IS= Sekundärstrom
Zb = Bürden-Scheinwiderstand

womit Us als treibende Spannung für den Sekundärstrom Is angesehen werden kann. Das ESB zeigt, dass der Fehlerstrom Iε, der durch die Querimpedanz Zm fließt, ursächlich für den Fehler des Stromwandlers ist. Gleichung 2/S. 13 gilt für den idealen, fehlerfreien Stromwandler, den es in der Praxis in dieser Form nicht gibt. Diese oft anzutreffende Gleichung

Gleichung 2

kr= Bemessungsübersetzung
Ip= Primärstrom                      
Is= Sekundärstrom      

ist folglich nicht korrekt, da der Sekundärstrom Is bereits fehlerbehaftet ist. Nach Kenntnis des ESBs ist es nunmehr korrekter, Gleichung 2/S.12 in die Form der Gleichung 3 zu überführen:

Gleichung 3

kr= Bemessungsübersetzung
Ip = Primärstrom
I‘p= auf die Sekundärseite bezogener Primärstrom bzw. idealer Sekundärstrom

In der DIN EN 61869-2 ist darüber hinaus der Erregerstrom Ie (engl. exciting current) erwähnt, der wie folgt definiert ist: „Der Erregerstrom ist der Effektivwert des in der Sekundärwicklung eines Stromwandlers fließenden Stroms, wenn an die Sekundäranschlüsse eine sinusförmige Spannung mit Bemessungsfrequenz angelegt wird und die Primärwicklung und alle sonstigen Wicklungen offen sind.“ Obwohl der Erregerstrom den gleichen Weg wie der Fehlerstrom Iε durch die Querimpedanz Zm nimmt, sind beide aufgrund der unterschiedlichen Definitionen nicht zwingend identisch, können aber für bestimmte Parameter gleiche Werte annehmen. Wenn die an die Sekundärwicklung angelegte Spannung zur Bestimmung des Erregerstroms identisch ist mit der Sekundärspannung, die sich im bestimmungsgemäßen Betrieb nach Gleichung 1/S. 12 für einen bestimmten Arbeitspunkt einstellt, haben Erreger- und Fehlerstrom für diesen Arbeitspunkt die gleichen Werte. Daher werden beide in der Norm als identisch betrachtet, womit die Norm der direkten messtechnischen Ermittlung des Fehlerstroms durch den Erregerstrom Rechnung trägt.


1.4 ANSCHLUSSKENNZEICHNUNG UND POLARITÄT

Um Stromwandler hinsichtlich der Polarität richtig anschließen zu können und eine Verwechslung von Primär- und Sekundärwicklung (z.B. bei Wickel-Stromwandlern) zu vermeiden, ist eine normgerechte Bezeichnung der Anschlüsse unerlässlich.


1.4.1 ERKLÄRUNGEN ZUM BEGRIFF DER STROMRICHTUNG

Wechselstrom ändert periodisch seine Richtung und entzieht sich dadurch eigentlich einer Richtungsaussage. In der Wandlertechnik wird daher die Stromrichtung mit der Richtung der Wirkenergie verknüpft. Der physikalische Energiefluss hat immer eine eindeutige und konstante Richtung, abgesehen von Wechseln zwischen Verbrauch und Einspeisung. Erst durch die Verknüpfung mit der Richtung des Wirkenergieflusses oder der Wirkleistung wird es möglich, für die Montage von Stromwandlern eine eindeutige Aussage bezüglich der Stromrichtung zu treffen, Ströme korrekt zu addieren (z.B. mittels Summen-Stromwandlern, siehe unter 2.4/S.24) und Ströme mit Spannungen vorzeichenrichtig zu verknüpfen (z. B. bei der Leistungsmessung). Wenn also bei Wechselstrom und vor allem bei Stromwandlern von der Stromrichtung die Rede ist, muss stets klar sein, dass es sich in Wirklichkeit um eine willkürlich gewählte Verknüpfung mit der Richtung der Energie oder der Leistung handelt. Es kann also gerechtfertigt sein, unter Beachtung dieser Besonderheit auch bei Wechselströmen umgangssprachlich von einer Richtung zu sprechen. Bei der reinen Strommessung spielt die Richtung keine Rolle, ggf. muss nur bei der Addition von Strömen bedacht werden, dass alle Wandler gleich gepolt sind, damit nicht versehentlich eine Subtraktion stattfindet. Findet jedoch eine Verknüpfung von Strom und Spannung statt (z. B. Leistungs-, Leistungsfaktor-, Energiemessung), ist die Beachtung der Stromrichtung unerlässlich. Abb. 6/S.15 verdeutlicht den Zusammenhang nochmals bildlich.


1.4.2 ANSCHLUSSKENNZEICHNUNG VON STROMWANDLERN UND STROMRICHTUNG

Nach der DIN EN 61869-2 (VDE 0414-9-2) sind die Primäranschlüsse (engl. primary terminal) mit den Großbuchstaben P1 und P2 gekennzeichnet; die Sekundäranschlüsse (engl. secondary terminal) erhalten die Bezeichnungen S1 und S2. Dabei hat die Polung so zu erfolgen, dass die Wirkenergie oder Wirkleistung (unter Berücksichtigung des vorherigen Abschnitts ist hier auch der Begriff Stromrichtung zulässig) von P1 nach P2 fließt, entsprechend der Abb.7/S.17. Dann fließt der Sekundärstrom aus S1 heraus. Die Spannungspfeile in Abb.7/S.17 dürfen nicht mit der Systemspannung verwechselt werden. Es handelt sich entsprechend dem oberen Teil dieser Abbildung um die Spannung, die entlang eines Strommessers abfällt. Die Festlegung der Anschlussfolge in der vorgegebenen Form findet ihre Rechtfertigung darin, dass ein direkt angeschlossenes Messgerät (oberer Teil der Abb.7/S.17) dieselbe Polung erfahren muss, als wenn dieses indirekt über einen Stromwandler angeschlossen wäre. Die bei älteren Wandlern häufig noch anzutreffenden deutschen Bezeichnungen K und L für P1 und P2 sowie k und l für S1 und S2 sind in der neueren Norm DIN EN 61869-2 ab dem Jahr 2012 nicht mehr enthalten. So konnte früher für die Stromrichtung auch die Eselsbrücke „k wie kommend, l wie laufend“ angewendet werden.

Es gilt:
· Fließt der Primärstrom bei P1 in den Wandler, fließt der entsprechende Sekundärstrom aus S1 heraus.
· PositiveWirkleistunggelangt über P1 in den Wandler und über S1 heraus.